Es gibt eine Straße in Dresden, zu der ich sehr gemischte Gefühle habe. Sie ist die Verkehrsader der Stadt und verbindet den Hauptbahnhof mit den zentralen Plätzen. Durch sie strömen die Menschenmassen, die ihre Promenade mit allerlei Einkäufen großzügig bereichern. Ich kann mir das Erstaunen der Touristen vorstellen, die vom Hauptbahnhof ins Stadtzentrum spazieren: „Und das ist Dresden? Die Perle Sachsens, Elbflorenz?“ Ja, das ist es, aber es ist auch einer der Teile der Stadt, der in den Nachkriegsjahren eine unglaubliche Metamorphose durchlebte – die Prager Straße.
Die Prager Straße wurde zwischen 1851 und 1853 angelegt und entwickelte sich schnell zu einer der schönsten Einkaufsstraßen der Stadt. Hotels und Restaurants befanden sich vorhersehbar in den Gebäuden in der Nähe des Hauptbahnhofs. Das prächtigste Gebäude, das sich den Augen der neu angekommenen Gäste öffnete, war das Kaiser Café.
Im Erdgeschoss des geschmückten Gebäudes befanden sich acht schmale Läden und ein Teil des Cafés selbst, dessen individuell gestaltete Markise auf dem oberen Foto rechts zu sehen ist. Das gesamte 1. Obergeschoß wurde von dem Café und seinen Nebengebäuden eingenommen. Eine weitere Etage darüber befanden sich Büroräume und noch darüber Wohnräume.
Gegenüber dem Kaiser Café befand sich das Central Hotel mit einem eigenen Restaurant mit Garten. Ich frage mich, wo die Hotelgäste am liebsten zum Essen gingen.
Auf der gleichen Straßenseite, nur ein paar Häuser weiter als das Central Hotel, befand sich ein weiteres Hotel, das Windsor Hotel.
Die gesamte Straße wurde nach der so genannten geschlossenen Bauweise errichtet, bei der die Häuser aneinander stießen und Blöcke mit Innenhöfen bildeten.
Was die Aufteilung der Straße selbst betrifft, so nahm die Fahrbahn mit den Straßenbahnschienen den größten Teil der Straße ein. Die Markisen der Geschäfte und Cafés reichten an manchen Stellen fast bis zu den Bordsteinen.
Die Prager Straße wurde nicht umsonst als eine der Haupteinkaufsstraßen der Stadt bezeichnet, denn sie beherbergte zahlreiche Geschäfte. Es gibt sogar Bilder von einzelnen Ladenschaufenstern, die einen Eindruck davon vermitteln, wie die Handelswaren vor 120 Jahren präsentiert wurden:
Ein weiteres sehenswertes Gebäude ist das Victoriahaus. Auf dem Foto unten befindet sie sich in der Mitte des Bildes.
Das Victoriahaus wurde 1892 nach dem Entwurf der Gewinner eines Architekturwettbewerbs gebaut, an dem 51 Architekturbüros teilnahmen. Die Wahl fiel auf den so genannten Dresdner Barock, eine spezifische Mischung aus Barock und Rokoko, die den Bauherren gefiel.
Es befand sich an der Kreuzung der Prager Straße, der Waisenhausstraße und der Seestraße, was darauf hinweist, dass es das Ende der Prager Straße krönte. Dieses Haus diente in hervorragender Weise als dominierendes Gebäude.
Nachkriegszeit
Im Februar 1945 wurde Dresden durch amerikanische und britische Luftangriffe fast vollständig zerstört. Aufgrund der Brandbomben und des anschließenden Feuersturms überlebten die Gebäude nur knapp. Fotos des zerbombten Dresden veranschaulichen den erbarmungslosen Bombenterror während des Zweiten Weltkriegs.
Später wurden die Ruinen der Häuser abgerissen und das gesamte Gebiet im Rahmen einer groß angelegten Enttrümmerungsaktion vollständig geräumt.
Es dauerte mehr als fünfzehn Jahre, diese Gebiete neu zu bebauen. Die neue Geschichte der Prager Straße begann 1962 mit der Bekanntgabe eines Architekturwettbewerbs.
Während einige Architekten zu historischer Authentizität und zur vollständigen Wiederherstellung verlorener städtebaulicher Substanz tendierten, strebten andere nach einer völlig neuen Gestaltung, die dem Zeitgeist entsprach.
Seit dem Ende des Krieges änderten sich die Vorbilder. Die Quartiersentwicklung, bei der die Häuser ein abgeschlossenes Areal bildeten, wurde als veraltet und nicht mehr zeitgemäß angesehen. Der Feuersturm, der Alptraum der engen Straßen, war den Menschen noch frisch im Gedächtnis. Gerade Straßen und freistehende Häuser hatten nun Priorität. Die geringere Anzahl der Häuser selbst hätte jedoch mehr Wohnraum bieten müssen.
Nach der Beräumung des Geländes war es möglich, eine neue architektonische Vision auszustrahlen: Die 700 Meter lange und 60 Meter breite neue Prager Straße sollte die städtische Landschaft in ihrer Bedeutung verändern. Die Nutzung des Areals änderte sich: Von nun an war es ausschließlich eine Fußgängerzone.
Eine der ersten Dominanten des gesamten Ensembles war der 240 Meter hohe Riesenbau, dessen Prototyp die Marseiller Wohneinheit des Architekten Le Corbusier war – ein siebzehnstöckiger Wohnkomplex mit 337 Wohnungen in 23 Typen in Marseille, erbaut zwischen 1945 und 1952. Beide Gebäude sind auf starken Pylonen errichtet. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden sie als „Häuser auf Beinen“ bezeichnet. Ein sehr starkes neues Konzept wurde in der Prager Straße umgesetzt, wo sogar das Gebäude seine eigenen „internen Straßen“ hat und die Lebensweise durch die Mittel der Architektur bestimmt wird. Zur Zeit seiner Erbauung war es eines der längsten Häuser in Deutschland. In seinem ursprünglichen Zustand gab es 614 Wohnungen auf 12 Etagen sowie zweieinhalbtausend Quadratmeter Bürofläche.
Zwischen 1967 und 1970 entstanden drei „Gipfel“ der Prager Straße – drei Hotels, die nach einzelnen Bergen der Sächsischen Schweiz benannt wurden: Bastai, Königstein und Lilienstein.
In den 1970er und 1980er Jahren entwickelte sich die Straße zum wichtigsten Fußgängerboulevard der Stadt. Viele Brunnen und kleine architektonische Formen aller Art wurden angelegt. Einige davon sind heute noch vor Ort, aber einige wurden in andere Stadtteile verlegt oder abgebaut.
Noch in den 1980er Jahren gab es in der Nähe des Stadtzentrums große Brachflächen: sie waren unbebaut und einfach mit Gras überwuchert. Das war an sich nicht schlecht, aber gleichzeitig waren diese Felder wild und passten nicht zu ihrer zentralen Lage. Später wurden anstelle dieser grünen Wiesen weitere Gewerbeflächen angelegt, offenbar in Anlehnung an die kaufmännische Vergangenheit der Prager Straße.
Das Warenhausgebäude war zusammen mit dem Kulturpalast und dem Rundkino ein hervorragendes Beispiel für die DDR-Architektur der 1960er und 1970er Jahre, wurde aber beim Hochwasser 2002 schwer beschädigt. Die Schäden waren so groß, dass beschlossen wurde, das Gebäude abzureißen. Damit ging eine der ursprünglichen Dominanten der neuen Straße verloren. Das Gebäude wurde von Grund auf neu aufgebaut; selbst die wabenförmige Fassade, mit der das neue Kaufhaus verkleidet werden sollte, war völlig abgenutzt und unbrauchbar. Es wurde erst 2010 wiedereröffnet.
Heute
Was begrüßt nun die Besucher, die mit dem Zug nach Dresden kommen? Bevor man zu den Bauten der 1960er und 70er Jahre gelangt, sind der Kitsch der Jahrtausendwende und brandneue Häuser mit Anspruch auf Individualität und Klimaneutralität zu sehen.
An der Stelle des gläsernen Stummen Hauses befand sich früher das Kaiser Café. Hier ein klarer Vergleich.
Auf dem Bahnhofsplatz herrscht ein reger Personenverkehr zwischen den Haltestellen und zum Hauptbahnhofsgebäude selbst. Entlang der Zäune wurden Stellplätze von Radfahrern besetzt.
Das Haus, das einem Le-Corbusier-Haus nachempfunden ist, wurde umgestaltet: Statt der ursprünglichen 614 Wohnungen hat das Haus nun 561 Wohneinheiten. Bei der Neugestaltung des Gebäudes im Jahr 2007 ging man davon aus, dass die Menschen heutzutage mindestens zwei Zimmer in einer Wohnung benötigen, und so machen Zweizimmerwohnungen den Großteil des Wohnungsbestands aus: Es gibt 402 Zweizimmerwohnungen in dem Gebäude. Bei der zweiten Gruppe handelt es sich nicht um Dreizimmerwohnungen, wie man erwarten könnte, sondern um 143 Einzimmerwohnungen.
Es gibt nur 12 3-Zimmer-Wohnungen, und für Ästheten gibt es sogar vier Penthäuser.
Die hübschen Pusteblumen-Brunnen funktionieren gut in den wärmeren Monaten.
Das Rundkino, dessen Betonzylinder auch nach vielen Jahren noch aktuell aussieht. Der klare Rhythmus und das brutale Dekor machten das Gebäude zu einem klassischen Beispiel für die DDR-Architektur jener Jahre.
Neben dem Rundkino befindet sich ein weiteres, neueres Kino, das UFA-Kristallpalast. Es wurde 1998 im dekonstruktivistischen Stil gebaut und erhielt 1999 sogar den Deutschen Architekturpreis.
Eigentlich sollte die Glaskuppel das gesamte Gebäude umhüllen, aber aus irgendeinem Grund ist dies nicht geschehen.
Es gab eine Art Kompromiss zwischen dem Konzept und den tatsächlichen Möglichkeiten. Ich mag dieses Gebäude mit seinen schlichten Betonfassaden, den schwebenden Treppen und seinem „Gewächshaus“ sehr.
Die Prager Straße war lange Zeit eine der Kriminalitätsbrennpunkte in Dresden. Während der Nachtstunden kam es hier häufig zu Raubüberfällen und Schlägereien, was auf die Nähe des Bahnhofs und die relativ große Zahl antisozialer Elemente zurückzuführen ist. Neueren Daten zufolge ist die Prager Straße jedoch nicht mehr so gefährlich wie früher.
Die Prager Straße ist ein großartiger Ort, um Plastiken auszustellen. Die Plastik „Völkerfreundschaft“ hat hier seit 1986 einen Ehrenplatz.
Die Geschäfte befinden sich weiterhin in den Erdgeschossen der Gebäude, und die Konsumkultur erreicht ihren Höhepunkt in den Gebäuden der Centrum-Galerie und Karstadt.
Heute weckt die Prager Straße keine starken Emotionen mehr, denn die alte Architektur einer verfallenen Ideologie wirkt nicht mehr so inspirierend. Aber gleichzeitig ist diese Straße mit ihrem Rundkino und dem anti-utopischen Haus aus Dresden nicht wegzudenken. Wäre ich damals in Dresden gewesen, wäre ich auf jeden Fall für eine völlige Neuentwicklung dieses Gebietes gestimmt.
Ich glaube, dass man nicht im Stil einer vergangenen Epoche bauen soll. Es ist gut, historische Rekonstruktionen in 3D zu machen und sie in einem Museum mit einer VR-Brille zu zeigen, anstatt sie in der Realität zu reproduzieren. Es ist eine Schande, dass Städte oft keinen Platz für neue Ideen und neue Akteurinnen und Akteure haben. Diese Starrheit ist für niemanden von Vorteil.
Mehr Fotos vom alten Dresden findet man hier. Außerdem habe ich eine ausgezeichnete Website mit Fotos von verschwundenen Gebäuden gefunden, auf der auch zu sehen ist, was sich heute an der Stelle des unwiederbringlich verlorenen Gebäudes befindet.