Hanseatische Plattenbauten in Rostock und ihre Grundrisse

Ich hatte keine Erwartungen an Rostock. Ich wusste, dass das historische Zentrum kaum erhalten war, und ich erwartete nichts Interessantes von der Stadt. Als ich am ersten Tag durch die Stadt spazierte, fielen mir die bemerkenswerten Häuser auf, deren Fassaden auf die Promenade ausgerichtet waren. Sie sahen nicht nach historischen Renovierungen aus, fügten sich aber perfekt in das Stadtpanorama ein. So entdeckte ich ein ganzes Viertel mit Plattenbauten aus den 1980er Jahren, die an die traditionelle hanseatische Bauweise erinnern.

Kontext

Anfang der 1980er Jahre waren im Norden Rostocks bereits große Wohngebiete entstanden. Das im Zweiten Weltkrieg stark beschädigte Gebiet zwischen Stadthafen und Universität im Stadtzentrum blieb jedoch lange Zeit vernachlässigt. In der Nachkriegszeit nutzte die sowjetische Armee den Hafen für ihre Zwecke, wodurch das angrenzende Gebiet zum Sperrgebiet für die Rostocker Bevölkerung wurde.

Die wenigen historischen Gebäude, die die Bombardierung überlebten, waren daher jahrzehntelang sich selbst überlassen. Schließlich mussten viele von ihnen abgerissen werden, weil sie nicht mehr restaurierbar waren, und so wurde Platz für neue Bauvorhaben gewonnen, um die Vergangenheit zu überdenken und in einem historischen Kontext zu bauen. Die zentrale Lage und die markanten Bauwerke der vergangenen Jahrhunderte beeinflussten auch das spätere Aussehen des Gebiets.

Rostock

Seit 1984 beginnt die Geschichte des Stadtteils erneut. Ein Projektteam unter der Leitung von Erich Kaufmann entwarf neue Wohngebäude mit insgesamt über 600 Wohneinheiten. Es wurde beschlossen, eine neue städtische Struktur in Rostock zu schaffen, ohne eine buchstäbliche Rekonstruktion vorzunehmen. Trotz der neuen Architektursprache knüpfen diese Gebäude an die architektonische Tradition der Hansestadt Rostock an. Dies zeigt sich in der Form der Fassaden, der Dächer und in der Wahl der Oberflächenmaterialien wie Klinker und weißer Putz.

Als Grundlage für das Projekt diente die neue Wohnungsbaureihe WBR 83. Laut Ingenieur Erich Kaufmann benötigte sie weniger Stahl und Beton als die Vorgängerserie und war recht variabel. So entstand das neue Erscheinungsbild des Viertels mit Plattenbauten von 4 bis 6 Etagen Höhe.

Details

Die Fußgängerzone im Herzen des Viertels sieht sehr gemütlich aus, mit vielen Bäumen und Sträuchern. Die Gestaltung der Grünflächen erinnert an natürliche Elemente: Hügel aus Pflastersteinen zum Beispiel.

Diese Straße kann von Autos befahren werden. Das Pflanzenbeet in der Mitte der Straße sieht sehr malerisch aus, ein bisschen wie zahme Wildnis.

Die Balkone sind nur zum Innenhof ausgerichtet, aber es gibt eine Ausnahme, wenn auch keine gute. Der Balkon der Erdgeschosswohnung befindet sich direkt vor der Eingangstür. Den Mietern fehlt es eindeutig an Privatsphäre; der hohe Zaun verbirgt sie irgendwie vor den Blicken von Passanten und ein- und ausgehenden Nachbarn.

Die gesamte Fußgängerzone wird von Wasser durchflossen, was eine sehr angenehme und lebendige Atmosphäre schafft. Feng Shui Fans werden das zu schätzen wissen, denn Wasser in Bewegung symbolisiert den Zufluss von Geld 🙂

Das Viertel weist einen großen Höhenunterschied auf: Der Abstieg zum Wasser ist größtenteils flach, aber im südlichen Teil gibt es auch Treppen und Rampen.

Auf den Originalplänen sind keine Balkone vorgesehen. Ich vermute, dass sie wahrscheinlich in den frühen 2000er Jahren hinzugefügt wurden.

Grundrisse

Diese Häuser haben mich so sehr inspiriert, dass ich die Grundrisse dieser Serie herausfand und einige von ihnen neu zeichnete.

Rostock
1. Relativ gleichwertige Wohnungen

Hier ein Beispiel für relativ gleichwertige Wohnungen: links für eine Familie mit einem oder zwei Kindern, rechts für ein Paar.

Rostock
2. Durchgangszimmer

Im Grunde sind es normale Familienwohnungen, aber der Grundriss mit den Durchgängen ist ungünstig. Es gibt praktisch keinen Flur. Im Hinblick auf eine rationelle Nutzung des Raums scheint dies eine gute Sache zu sein. Dadurch wurden die Räume durchgängig, und der Essbereich blieb ganz ohne Fenster.

Rostock
3. Planungen für unterschiedliche Lebensstile

Sehr unterschiedliche Wohnungen sind auf einer Etage zusammengepackt. In der Mitte befindet sich eine Einzimmerwohnung: so eine Art Hotelzimmer mit einer Küchenzeile.

Eine zweite Wohnung bietet Platz für ein Kind, oder man kann dort auch eine alleinstehende Person schlafen lassen.

Die Fünf-Zimmer-Wohnung, die wohl luxuriöseste Variante dieser Wohnungsbaureihe, ist für eine Familie mit vier Kindern gedacht. Interessanterweise ist das Wohnzimmer das größte Zimmer der Wohnung. Obwohl es im Allgemeinen logisch ist, ein Zimmer für die ganze Familie zu haben, um Zeit miteinander zu verbringen.

Unabhängig von den Plänen der Architekten können Wohnräume für verschiedene Zwecke genutzt werden. Das Einzige, was diese Häuser nicht beheben können, ist die Deckenhöhe. Wie in allen Plattenbauten sind auch hier die Decken niedrig.

Fazit

Was die Bauweise und die Fassadengestaltung betrifft, so gefiel mir, dass die Häuser feine Unterschiede aufweisen: die verschiedenen Farben der Putzeinsätze, die Farbe und Form der Haustüren, die Art des Vordachs, die Art und Farbe der Briefkästen. Zusammen erzeugen sie das Gefühl einer Kollektion, in der die Modelle, obwohl sie unterschiedlich sind, zusammenkommen, sich gegenseitig unterstützen. Ich denke, dass man bei der Gestaltung dieses Viertels in Rostock in den 80er Jahren leicht in die Vereinfachung hätte abrutschen und überall die gleichen Elemente verwenden können. Ich bin überrascht, dass bei einer sehr rationellen Verwendung von Baumaterialien viel Wert auf Ästhetik gelegt wurde.

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