Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Alten Leipziger Bahnhofs in Dresden

In Dresden, in unmittelbarer Nähe des historischen Stadtzentrums, gibt es einen einzigartigen Ort – eine 27 Hektar große Brachfläche. Das ist heutzutage wirklich eine Seltenheit in einer deutschen Stadt, auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Jahrelang kümmerte sich niemand um diesen Ort, und nach jahrzehntelanger Vernachlässigung wurde er in ein Ödland verwandelt. Es geht um den Alten Leipziger Bahnhof. Es sind noch einige Gebäude erhalten, die das Glück hatten, sich in Lagerhallen zu verwandeln, aber die Empfangshalle und die Bahnsteige sind dem Verfall preisgegeben. Neben den Bahnhofsgebäuden gibt es eine Reihe von Denkmälern, die mehr oder weniger gut erhalten sind.

In den letzten Jahren wurde in der Umgebung vieles verändert: Auf dem Gelände der alten Bahngleise sind ein Gymnasium und ein Park entstanden, und in der Nähe der Elbe wird das Projekt HafenCity mit zahlreichen Wohnungen, einem Hotel und einem Restaurant weiter vorangetrieben. Die HafenCity wird mit dem Anspruch auf Exklusivität gebaut, und das aus berechtigtem Grund: Der Blick auf die Elbe und die grüne Küste auf der anderen Elbseite ist wirklich beeindruckend.

Im Schatten des Baubooms blieb bisher die unansehnliche Brache in der Nähe der Straßenbahnhaltestelle Alter Schlachthof, wo die Gäste des Hotels neben der HafenCity aussteigen. In den 2010er Jahren wurde in der Presse gelegentlich über eine mögliche Bebauung des Gebietes berichtet, die jedoch mit der Zeit spurlos verschwand. Ich suchte lange nach Informationen darüber, was genau und wann hier geplant ist, denn die Stadt hat durchaus einen Plan für die kommenden Jahre, fand aber nichts Konkretes. Im Januar 2022 gab es schließlich einen Online-Bericht über die Entwicklung des Gebiets. Ich nahm daran teil und lernte einige Dinge. Doch werfen wir zuerst einen Blick auf die reiche Vergangenheit des Gebiets…

Ein Blick in die Vergangenheit

Leipziger Bahnhof im Jahr 1839
Plan des allerersten Leipziger Bahnhofs, 1839

Die Leipzig-Dresdner Eisenbahn wurde am 7. April 1839 eröffnet und war die erste Fernbahnstrecke in der deutschen Geschichte. Die 105 km lange Strecke, die der Zug in 4 Stunden schaffte, wurde in Dresden durch den ersten Dresdner Bahnhof gekrönt, der 1838 erbaut wurde. Es befand sich zwischen der Leipziger Straße und der Großenhainer Straße, nordwestlich des heutigen Bahnhofs Dresden-Neustadt. Auf Karten und Zeichnungen der damaligen Zeit ist der Bahnhof nicht wiederzuerkennen – kein Wunder, wurde er doch im 19. Jahrhundert mehrfach umgebaut und erweitert. Das heute noch bestehende Gebäude ist auf Fotos aus den 1880er Jahren zu erkennen.

Ansicht auf den Leipziger Bahnhof von der Straße aus, ca. 1885
Autor unbekanntUnknown authorCC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Plan aus dem Jahr 1877, Leipziger Bahnhof

Nach Dutzenden von Betriebsjahren verlor sie im März 1901 ihre Funktion im Personenverkehr. Der Personen- und Güterverkehr wurde neu überdacht und die Bereiche neu strukturiert. Die Funktion des Leipziger Bahnhofs wurde vom Bahnhof Dresden-Neustadt übernommen, der auch den 1847 erbauten Schlesischen Bahnhof ersetzte.

Stadtplan aus dem Jahr 1900, Leipziger Bahnhof und Schlesischer Bahnhof

Was bis heute übrig geblieben ist

Das Gebäude aus dem späten 19. Jahrhundert befindet sich in einem baufälligen Zustand. Da die meisten Häuser im nahe gelegenen Viertel Pieschen-Süd in jenen Jahren gebaut wurden, hätte der Bahnhof gute Chancen, bis in die Gegenwart zu überleben, wenn er rechtzeitig saniert würde.

Vor dem Bahnhof stehen Wohnmobile, in denen alle möglichen interessanten Leute halblegal leben, die sogar einen „Laden“ mit kostenloser Kleidung und anderen obskuren Dingen haben.

Das Innere des Gebäudes ist ein völliger Scherbenhaufen, der durch hohe Metallzäune von neugierigen Passanten abgeschirmt wird.

Ein provisorisches Dach wurde über dem Gebäude errichtet, um es vor Niederschlägen zu schützen. Es ist offensichtlich, dass die Entscheidung nicht vor langer Zeit getroffen wurde; die Holzbalken hatten noch nicht genug Zeit, um zu verblassen.


Wie viele andere Orte in Deutschland hat der Bahnhof eine dunkle Geschichte: Während des Zweiten Weltkriegs wurde er zur Deportation von Menschen jüdischer Herkunft aus Dresden und Leipzig genutzt. Der Leipziger Bahnhof diente sowohl als Ausgangspunkt als auch als Zwischenstation für Züge, die Juden in Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager brachten.

Derzeit wird darüber diskutiert, wie die vielfältige Geschichte des Bahnhofs widergespiegelt werden kann, und ob es möglich wäre, hier ein jüdisches Museum einzurichten. Die Initiative Wann-Wieviele-Wohin erinnert an den 80. Jahrestag der ersten Deportation von Juden aus Dresden nach Riga, die am 21. Januar 1942 stattfand.

Weitere Bahnhofsgebäude

Der linke Flügel des Bahnhofs, der viel besser aussieht als der Rest des Gebäudes, beherbergt die Blaue Fabrik, eine unabhängige Kultureinrichtung, eine Ausstellungsgalerie für Künstler.

In einem anderen Gebäude befindet sich eine Speditionsfirma.

Be-/Entladebereich und Bahnsteige

Einige der Gebäude beherbergen Lagerhäuser und Büros.

Gegenüber sind alle Gebäude stillgelegt.

Der Weg zu den Bahnsteigen ist versperrt.

Das Dach über den Bahnsteigen ging in Wellen ab.

Holzbalken halten das Dach über den Be- und Entladetoren.

Ein riesiges Brachland

Der gesamte Bereich des Brachlandes in der Nähe der Haltestelle Alter Schlachthof ist abgezäunt.

In der Ferne ist die 1881 erbaute St. Petri-Kirche zu sehen.

Am Zaun lag ein Haufen Müll, sogar eine seltsame längliche schwarze Plastiktüte. Ich überprüfte natürlich nicht seinen Inhalt…

Im Hintergrund sind die Häuser der HafenCity zu sehen, rechts sind die Bauarbeiten noch im Gange.

Fünf Villen in der ersten Reihe am Fluss befinden sich im Stadium der Betonboxen im Baugerüst.

Blick in Richtung Alexander-Puschkin-Platz.

Das Hotelgebäude ist auf der anderen Seite des Hügels zu sehen.

Es gibt einen alten bröckelnden Steinzaun im hinteren Teil des Geländes.

Hinter diesem Zaun sind die Bahnsteige zu sehen, zu denen man von den Lagerhallen aus keinen Zugang hat.

Veranstaltungsorte, Clubs

Eine sehr uneinheitliche Bebauung im Clubteil des Viertels. Hier haben sich Fachwerkhäuser, Mid-Century-Häuser mit Glasbausteinfenster und Gebäude aus dem späten 19. Jahrhundert zu einem sehr seltsamen, unheimlichen Mix vermischt.

Vor der Pandemie war der Puschkin-Club ein Anziehungspunkt für viele junge Leute, die bis zum Morgengrauen tummelten. Wie es sich mit den Wohnungen für junge Familien vereinbaren lässt, weiß ich noch nicht…

Die angekündigte Zukunft des Gebiets

Bei der Präsentation am 21. Januar erfuhr ich, dass dieses riesige Gebiet 12 Eigentümer hat, und es nicht im Besitz der Stadt ist. Eines der Grundstücke gehört dem regionalen Energieunternehmen Sachsen Energie, aber welches, wurde nicht bekannt gegeben. Da es sich jedoch nicht nur um eine Lückenbebauung handelt, sondern um einen Entwurf für ein neues Wohnquartier in Zentrumsnähe, wird die Bürgerschaft in den Prozess einbezogen. Neben allen möglichen Ratschlägen von Beamten, die letztendlich die endgültige Entscheidung über die Form und Struktur des Bezirks treffen werden, hatte jeder Einwohner der Stadt die Möglichkeit, an einer sechsköpfigen Arbeitsgruppe mitzuwirken, die den Prozess überwachen wird.

Es war interessant, den Chat während der Präsentation zu verfolgen, in dem darüber debattiert wurde, was genau auf diesem besonderen Grundstück gebaut werden sollte. Die Meinungen waren sehr unterschiedlich: Einige wollten einen Park mit Sportgeräten, andere ein Museum, dritte Sozialwohnungen. Einige behaupteten, dass es in Dresden keinen bezahlbaren Wohnraum gäbe, andere argumentierten, dass die Stadt schon genug seelenlose Betonkästen habe. Große Unterstützung bekam ein Kommentator, der das gesamte Verfahren der öffentlichen Anhörungen als „Feigenblatt“ bezeichnete, und die Meinung der „einfachen Leute“ interessiere niemanden wirklich. Es ist schon bemerkenswert, wie schnell die Leute dabei vergessen, dass dieses Land eigentlich in Privatbesitz ist.

Gezeigt wurden das Schema der geplanten Bebauung, die Straßennetze und der lang erwartete Radweg, der parallel zur Leipziger Straße innerhalb des künftigen Viertels verlaufen und bis zum Wasser reichen soll. Wenn die Radwege auf diese Weise realisiert werden, wird es meiner Meinung nach sehr bequem sein.

Im Allgemeinen werden die größten Veränderungen in den unbebauten Gebieten erwartet. Das Projekt wird sich zumindest auf die Konzertorte (mit Ausnahme des Puschkin-Clubs) und die Fleischer-Großhandlung auswirken, obwohl diese bei weitem kein Denkmal ist. Die Gebäude und das Umfeld des alten Leipziger Bahnhofs sind in einem mittleren Maße umgestaltungsfähig. Ich bin sehr gespannt, wie der Bahnhof nach der Sanierung aussehen wird und welche Funktionen er erfüllen wird.

Meine Überlegungen zur Zukunft

Wenn ich in diesem Gebiet lebe, fühle ich mich wie eine Bewohnerin eines Entwicklungslandes: Es scheint ein riesiges Tätigkeitsfeld zu geben, aber gleichzeitig ist unklar, wann auf diesem Feld etwas passieren wird und wie man es beeinflussen kann. Das Gelände gehört nicht der Stadt, sondern privaten Eigentümern, die das Recht haben, hier zu tun, was sie wollen und wann sie wollen. Ich respektiere Privateigentum, aber man sollte nicht die Verantwortung für Denkmale vergessen, die mit dem Eigentum verbunden ist. Ich hoffe sehr, dass die neue Aufmerksamkeit für den alten Leipziger Bahnhof nicht von selbst verschwindet und leeres Gerede bleibt.