Das von Hans Scharoun entworfene Haus Schminke gilt als eines der berühmtesten Wohnhäuser der Moderne weltweit. Ein licht- und luftdurchflutetes Haus, in dem Außen und Innen eng miteinander verbunden sind. „Das Haus, das mir das Liebste war“ — so sagte der Architekt selbst über das Haus Schminke in Löbau, das in den Jahren 1932-1933 für den Nudelfabrikanten Fritz Schminke und seine Familie entstand.
Innovative architektonische Lösungen in Stahlskelettbauweise ermöglichten großflächige Verglasungen, sodass die Trennung zwischen Innen und Außen immer wieder aufgehoben wird. Auch nach fast 90 Jahren wirkt dieses Haus von außen wie ein futuristisches Schiff, das durch seine organischen Formen und Glasfassaden beeindruckt.
Grundriss vom Haus Schminke in Löbau
Im Erdgeschoss befindet sich ein großzügiges Wohnbereich mit Küche (13). Die große, zweigeschossige Treppenhalle (3), das Wohnzimmer (1) und der Wintergarten (2) wurden für die Unterhaltung der ganzen Familie und den Empfang von Gästen konzipiert. Die Zimmer wirkten gemütlich und ultramodern. Das Obergeschoss diente als Aufenthalts- und Schlafraum für Familie (5-7) und Gäste (11) und wirkt heute sehr zurückhaltend gestaltet. Im unteren Geschoss entstanden Wirtschafts- und Hobbyräume für die Familienmitglieder (14-18). Unter anderem verfügt das Untergeschoss über eine Fotolabor (16) und ein Nähzimmer mit Tageslicht (17).
Innenraumgestaltung
Hans Scharoun entwickelte ein ganzheitliches Konzept für das Haus und seine Inneneinrichtung, das Einbaumöbel, Beleuchtung und Farbgestaltung umfasste. Die meisten der farblichen Wandgestaltungen, einschließlich der Tapeten, sind inzwischen verloren gegangen. Gleichzeitig sind viele der ursprünglichen Einbauschränke, teilweise Deckenlichtkonstruktionen und metallgerahmte Verglasungen erhalten geblieben.
Wohnräume im Erdgeschoss
Im Erdgeschoss befinden sich, wie in modernen Einfamilienhäusern üblich, die Gemeinschaftsbereiche wie Halle, Wohnzimmer, Esszimmer und Küche. Das Esszimmer ist sogar kein separater Raum, sondern wurde an einem Ort eingerichtet, an dem sich mehrere Wege zusammenlaufen. Das ist ein Anziehungspunkt für die ganze Familie. Was ihn noch attraktiver macht, ist, dass er an einem großen Fenster ohne einen einzigen Sturz steht, das die Grenze zwischen Innen und Außen verwischt.
Auch interessant ist, dass die Plätze am Tisch fest verteilt waren: Der Platz am Tischkopf mit dem besten Blick auf den Garten gehörte Frau Schminke als Gartenliebhaberin, drei Plätze zu ihrer Rechten gehörten ihren drei Töchtern, links von ihr saß ihr Mann Herr Schminke, dann ihr Sohn und der letzte Platz war für einen Familiengast reserviert. Die klare Platzverteilung am Tisch wurde durch farbige Markierungen am Tisch selbst untermauert.
Das geräumige Wohnzimmer hat ein nachgebautes Sofa, und an der Decke sind die bogenförmigen Elemente des ursprünglichen Beleuchtungskonzeptes zu sehen.
Gegenüber dem großen Fenster befand sich früher ein Kamin, der auf Fotos aus der damaligen Zeit zu erkennen ist.
Wohnzimmer im Jahr 1934
Im Wintergarten mit schräger Glasfassade befindet sich eine Essgruppe und eine außergewöhnliche Deckenbeleuchtung.
Dieser Raum ist eine Art Zwischenzone: Ein Gitter auf dem Boden ermöglichte es, nach der Arbeit im Garten mit schmutzigen Schuhen das Haus zu betreten.
Die roten Stühle, die heute auf der Terrasse vor dem Haus stehen, stammen aus den 60er Jahren, als es einen Design-Boom gab und Kunststoffprodukte in futuristischen Formen den Markt überflutet.
Elternschlafzimmer
Im Obergeschoss befinden sich die Eltern- und Kinderschlafzimmer, das Familienbad und das Gästeapartment. Das Elternschlafzimmer fällt sofort durch zwei Einzelbetten ins Auge. In der ursprünglichen Aufteilung waren die Kopfenden der Betten mit deckenhohen Trennwänden versehen, zwischen denen eine S-förmige Vorhangstange angebracht war, um noch mehr Privatsphäre zu schaffen.
Elternschlafzimmer im Jahr 1934
Es gibt einen kleinen Arbeitsplatz am Fenster, und der Schreibtisch ist eine Verlängerung des Fensterbretts. Auf dem Schreibtisch steht eine ikonische Leuchte, deren Design in der Metallwerkstatt des Bauhauses entstanden ist. Die Leuchte besteht aus einem dicken Glassockel mit einer Glasröhre und einem milchigen Glasplafond. Der Werkstattleiter László Moholy-Nagy war von den Möglichkeiten der Elektrizität fasziniert, und bei den ersten Lampen dieses Entwurfs konnte man die Kabel selbst in der Glasröhre sehen.
Vom Schlafzimmer aus hatte man Zugang zu einem Balkon und konnte sogar direkt in den Garten hinuntergehen, ohne die Zimmer im Erdgeschoss zu betreten.
Kinderschlafzimmer
Nach dem heutigen Verständnis von Kinderzimmern wirken die Kinderzimmer zwar spartanisch. Die Kleiderschränke befanden sich im Flur und es gab keinen Platz für Spiele. Dies ist der Schlüssel zum Verständnis, wie die Freizeitgestaltung in der Familie, insbesondere für die vier Geschwister, aussah.
Die Kinder konnten alle Gemeinschaftsräume für ihre Spiele nutzen, und im Garten fanden sie viele Inspirationsquellen und eine Kulisse für ihre Ideen. Trotzdem gab es noch Platz für die Aufbewahrung von Spielzeug: Ein großer Einbauschrank im Erdgeschoss in unmittelbarer Nähe des Hauseingangs.
Jedes Kind hatte sogar seinen eigenen Abschließfach. Der oberste gehörte dem Sohn, der der Älteste und offenbar auch der Größte war. Die unteren drei Abschließfächer gehörten den drei Schwestern. Dieser Schrank ist eine direkte Verkörperung von Wassily Kandinskys Lehren über Farbe. Die Farbpalette enthält die primären Farben Blau, Rot, Gelb sowie Schwarz, Weiß und Grautöne.
Küche
Eine weitere bekannte Designlösung war die Unterbringung einer Variation der Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky. Obwohl die Küche der Familie Schminke viel größer als die ursprüngliche Frankfurter Küche war, basierte sie auf den gleichen Prinzipien. Diese Grundsätze waren vor allem die rationelle Anordnung der Küchenmöbel und -geräte, die Verringerung der Abstände zwischen den am häufigsten benutzten Küchenelementen und die ungewöhnliche Lagerung von Trockenwaren in ausziehbaren Aluminiumbehältern mit einem in den Schrank eingebauten Griff. Dieses Aufbewahrungssystem war unglaublich innovativ und reduzierte den Zeit- und Arbeitsaufwand für den Zugriff auf die Lebensmittel. Margarete, der Schöpferin der Küche, war die Rationalisierung im Haushalt sehr wichtig, und gleichzeitig entsprach die Idee dem Zeitgeist und den Bedürfnissen der Frauen. Im Haus der Familie Schminke arbeitete nur eine Haushelferin, trotz des hohen Status und der finanziellen Möglichkeiten der Familie.
Hobbyräume im Untergeschoss
Das geräumige Untergeschoss beherbergte neben den technischen Einrichtungen auch eine Dunkelkammer und ein Nähzimmer.
Politischer Kontext und seine Auswirkungen auf die Familie Schminke
Das Haus Schminke in Löbau wurde 1933 gebaut, zeitgleich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Die Familie Schminke bewohnte das Haus 12 Jahre lang, die durch tragische Ereignisse wie den Tod ihres Sohnes und die Gefangenschaft von Herrn Schminke unterbrochen wurden. Im Jahr 1945, mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa, wurde das Haus durch die Rote Armee beschlagnahmt und als Militärkommandatur genutzt. Im Jahr 1946 erhielt die Familie das Haus zurück, aber gleichzeitig wurde die Nudelfabrik enteignet. Nach seiner Rückkehr aus russischer Gefangenschaft im Jahr 1948 musste Fritz Schminke ausreisen, weil er hier als Kriegsverbrecher galt – seine Firma belieferte die Wehrmacht mit Nudeln. Im Jahr 1950 verließ er die DDR, und 1951 folgte ihm seine Frau nach Celle. Zwei Jahre später ging ihre Ehe in die Brüche, aber zu diesem Zeitpunkt war das Haus bereits enteignet worden.
Dass das Haus Schminke in Löbau heute als Museum funktioniert, ist vor allem den Töchtern der Familie zu verdanken, die 1993 auf eine Rückübertragung des Hauses verzichteten. Eine der Bedingungen war, dass das Haus langfristig der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollte, was tatsächlich erfüllt wurde. Heute wird das Baudenkmal von der Stiftung Haus Schminke betrieben, die es schützt und es der Öffentlichkeit zugänglich macht.