Ich interessiere mich sehr für die Typologie verschiedener Objekte: Es geht immer darum, bereits vorhandene Lösungen zu erforschen, nach positiven und negativen Eigenschaften zu suchen, Prozesse und Erfahrungen der Interaktion zu untersuchen. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich Menschen die gleichen Dinge sehen und interpretieren können. Was sie in ihren Werken schaffen, erklärt perfekt ihre Ansichten und allgemein ihr Verständnis der Welt um sie herum.
In der Architektureuphorie der 1920er Jahre, der Ablehnung des Bürgertums, der Förderung von erschwinglichem Wohnraum, der Vereinheitlichung – bei all dieser Fortschrittlichkeit war eine Architektin noch nicht vertrauenserweckend. Margarete war die erste Frau, die an der österreichischen Kunstgewerbeschule Architektur studierte und diese erfolgreich abschloss. Nach dem Studium wurde Margarete eingeladen, Wohnungsprobleme in der Stadt Frankfurt am Main zu lösen, und in derselben Zeit entwarf sie die Frankfurter Küche – ein hervorragendes Beispiel für den Rationalismus im Haushalt.
Um ihre Ideen bekannt zu machen, wurde eine große PR-Kampagne durchgeführt: Der umstrittene Küchenentwurf der jungen Frau wurde zunächst in Zeitungen beworben, in Vorträgen erwähnt und im Rahmen von Besichtigungen fertiger Wohnanlagen gezeigt. Ein Muster ihrer Küche wurde sogar im Rathaus ausgestellt.
So wurde Margarete Schütte-Lihotzky in der Öffentlichkeit bekannt.
In zahlreichen Artikeln (z.B. diesem) beschrieb sie ihre Idee der Rationalisierung der Hauswirtschaft durch Neubauten und referierte darüber im Hausfrauenverband. Sie wollte den Frauen auch zeigen, wie wichtig es ist, dass Frauenorganisationen in den Wohnungsplanungsprozess einbezogen werden, damit ihre tatsächlichen Erfahrungen berücksichtigt werden können.
Prototyp einer modernen Küche
Das Projekt von Margarete ist der Prototyp einer modernen Küche: mit wandhängenden Schränken, einer kombinierten Arbeitsplatte mit Spüle, praktischem Stauraum und einem kompakten Grundriss. Die Küche war modular aufgebaut, hatte eine Größe von 6,5 Quadratmetern und war mit einem standardisierten Möbelset ausgestattet. Zwischen 1926 und 1930 wurden rund zehntausend solcher Küchen hergestellt.
Kochen
Neben dem Herd befand sich eine emaillierte Metallfläche, auf der heiße Speisen abgestellt werden konnten. Daneben befand sich ein Schrank – der so genannte „Topfschrank“ – mit einem Deckel (auf dem Foto ist der Deckel aufgeklappt), unter dem sich zwei Metallzylinder befanden, die von wärmeisolierendem Material ummantelt waren, um gekochte Speisen länger warm zu halten.
Aufbewahrung von Lebensmitteln
Mehl, Reis und andere Getreidesorten wurden in der Regel in Papiersäcken gelagert. Das Aufbewahrungssystem wurde völlig neu durchdacht: Es gab Auszugsbehälter, die in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Harrer entwickelt wurden und aus leichtem und unzerbrechlichem Aluminium bestehen. Dank seiner Form mit einem „Ausguss“ ist es einfacher, das Produkt zu dosieren und zu verwenden. Produktlagerung und -abgabe sind 2-in-1.
Arbeitsplatte
Linoleum (Kunststoffe gab es noch nicht) wurde häufig zum Abdecken von Küchenarbeitsplatten verwendet, war aber nicht schnittfest und schmutzabweisend. Es wurde beschlossen, die Arbeitsplatten aus Buche zu fertigen, die sich leichter reinigen lassen. Auf der rechten Seite des Tisches befand sich ein Loch, unter dem sich ein weiß emaillierter Behälter für den Müll abgestellt war. Alle Kochabfälle von Gemüse und/oder Fleisch wurden in diesen Behälter geworfen, der nach dem Kochen geleert wurde.
In der Küche gab es auch ein Bügelbrett, das zusammengeklappt an der Wand hing, und einen drehbaren Hocker auf einer Schraubhalterung, der es ermöglichte, alle Arbeiten im Sitzen zu erledigen.
Die ursprüngliche blaue Farbe von Küchenfronten ist kein Zufall: Wissenschaftler der Universität Frankfurt entdeckten, dass Fliegen – Überträger von gefährlichen Bakterien – nicht auf Blau fliegen.
Neu war damals auch ein Trockenregal, das Zeit beim Abwischen des Geschirrs sparte.
Heute ist Margarete vor allem für ihr Küchendesign bekannt. Sie arbeitete jedoch im Laufe ihres Lebens an zahlreichen Projekten, war Mitglied des österreichischen Widerstands, wurde 1941 von der Gestapo gefangen genommen, zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt und verbrachte schließlich viereinhalb Jahre in einem Konzentrationslager; danach unternahm sie zahlreiche Reisen und hielt Vorträge über Design und Baukunst.
Margarete Schütte-Lihotzky starb im Jahr 2000, wenige Tage vor ihrem 103. Geburtstag.