Zwei klappbare Sessel Senftenberger Ei

Deutsch-deutsches Design 1949–1989

Zwei Länder, eine Geschichte? Mit dieser Frage wird die Ausstellung über deutsch-deutsches Design während des vierzigjährigen Bestehens der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik eröffnet. Das Design von Objekten in den Jahren 1949 bis 1989 ‒ von Waren des täglichen Bedarfs bis hin zu teuren Luxusgütern ‒ ist untrennbar mit Geschichte und Ideologie verbunden. Im Westen dominierte die Marktwirtschaft, während im Osten die politische Ordnung auf einer Planwirtschaft beruhte. Trotz ihrer politischen und wirtschaftlichen Unterschiede haben die beiden Republiken jedoch in ähnlicher Weise auf die Bedürfnisse ihrer Bevölkerung reagiert: industrielle Produktion, fortschrittliche Produktkultur und modernes Bauen. Die Ausstellung stellt Parallelen in der Gestaltung von Objekten fest und zeigt deren pragmatische Gemeinsamkeiten, indem sie Objekte aus beiden Republiken vergleicht und somit einige Klischees entlarvt.

1949-1960

Wiederaufbau und Neubeginn

Die Nachkriegsjahre lassen sich wie folgt beschreiben: ein verwüstetes Land, traumatisierte Menschen, Mangel an Wohnraum, Lebensmitteln und lebensnotwendigen Gütern. Die akute Not und der Verlust wurden mit der Hoffnung auf einen Neuanfang nach dem Sturz des Naziregimes in Einklang gebracht.

Politischer Kontext
Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik wurden 1949 im Abstand von wenigen Monaten aus den politischen und wirtschaftlichen Interessen der Besatzungsmächte heraus gegründet. Während in Westdeutschland ein demokratisches System mit Marktwirtschaft unter westlicher Leitung aufgebaut wurde, errichtete die Sowjetunion in Ostdeutschland eine Diktatur unter Führung der marxistisch-leninistischen Partei.

Die Designer der Nachkriegszeit griffen sowohl im Westen als auch im Osten auf die Erfahrungen der Vorkriegszeit zurück, darunter auch auf die Ideale der Bauhaus-Moderne: Viele Designer sahen in den frühen 1950er Jahren in der industriellen Formgebung die Antwort auf die Frage, wie ressourceneffiziente, funktionale und langlebige Produkte in großen Stückzahlen hergestellt werden können. Aus Sicht vieler Formgestalter ließen sich diese zentralen Aufgaben am besten durch die Idee des Bauhauses realisieren.

Interessant ist, dass es in beiden Republiken Sammlungen von vorbildlichen Produkten gab. Der Rat der Formgestaltung (BRD) und das Institut für angewandte Kunst (DDR) legten Anfang 1950er solche Fotosammlungen an, die dem Ziel der Geschmackserziehung dienen sollten.

Design im Porträt

Spielfahrzeug Schaukelwagen

Das Spielgerät ist während des Studiums von Hans Brockhage und Erwin Andrä an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden entstanden.

Deutsches Design
Herkunft/Rechte: Museum Utopie und Alltag. Alltagskultur und Kunst aus der DDR / Armin Herrmann (CC BY-NC-SA)

Dank der klaren Geometrie der linearen und kreisförmigen Elemente und der innovativen Verwendung von Materialien (verzogenes Sperrholz) gilt das multifunktionale Spielgerät als Zeugnis der Bauhaus-Rezeption in der frühen DDR.

Deutsches Design
Herkunft/Rechte: Museum Utopie und Alltag. Alltagskultur und Kunst aus der DDR / Armin Herrmann (CC BY-NC-SA)

Das Spielzeug kann auf zwei Arten benutzt werden: auf Rädern stehend (Spielfahrzeug) und in der Schaukelposition (Schaukelwagen).

Möbelbauserie 602: Schrank 602/K

Die vom ehemaligen Bauhaus-Schüler Franz Ehrlich entworfene Typenserie Modell 602 erschien im Jahr 1957 auf der Leipziger Frühjahrsmesse und war die erste Serie komplettierungsfähiger Einzelmöbel in der DDR.

Deutsches Design
Herkunft/Rechte: Museum Utopie und Alltag. Alltagskultur und Kunst aus der DDR / Armin Herrmann (CC BY-NC-SA)

Zu dieser Zeit wuchs die Nachfrage nach preiswerten, modernen Möbeln, die in die kleinen Wohnungen von Neubauten passten, rapide an. Die Möbel des Modells 602 könnten sowohl einzeln gekauft als auch ergänzt und erweitert werden.

Fernsehgerät „Alex“

Dieser 1957 von Horst Giese und Jürgen Peters, Studenten der Kunsthochschule Berlin-Weißensee unter der Leitung von Rudi Högner, entworfene Fernseher war für seine Zeit revolutionär. Der dynamisch gerundete Gehäuse wurde auf ein Minimum reduziert. Der Bildschirm ist in einen tiefen Rahmen aus Schichtholz mit einer silbernen Hammerschlaglackierung eingebaut, die optisch an Aluminium erinnert. Die Bedienelemente aus hellem Kunststoff – ein großer Kippschalter und drei Räder, sind seitlich integriert.

Deutsches Design
Herkunft/Rechte: Museum Utopie und Alltag. Alltagskultur und Kunst aus der DDR / Armin Herrmann (CC BY-NC-SA)

Mit seiner futuristischen Raumfahrt-Ästhetik hob es sich von den sperrigen, kastenartigen „Tonmöbeln“ der damaligen Zeit ab. Dieses Design spiegelt bereits die Trends des folgenden Jahrzehnts wider.

1961-1972

Zwei Gesellschaften

Politischer Kontext
Als Gipfelpunkt des Kalten Krieges kann die Abriegelung der innerdeutschen Grenze und der Bau der Berliner Mauer angesehen werden. Die Mauer sollte die Abwanderung von Arbeitskräften in den Westen stoppen, wurde aber gleichzeitig zum Symbol für die Spaltung beider deutscher Staaten und zerriss Familien und freundschaftliche Beziehungen.

Die Spaltung spiegelte sich auch im Designansatz wider. Im Osten wurde z.B. der serielle Plattenbau vom Staat gefördert. Im Westen nahmen die Designer Aufträge von internationalen Firmen an, was später zur Entstehung der Qualitätsmarke Made in Germany führte.

Bei allen Unterschieden in der Entwicklung gab es in beiden Republiken einen Designboom. Beide entwarfen Objekte, die von futuristischen Formen und neuen Materialien wie Kunststoff inspiriert waren.

Design im Porträt

„hockender Mann“, „Känguru-Stuhl“ oder „Z-Stuhl“

Wegen seiner charakteristischen Silhouette wird dieses Möbelstück aus Polyurethan, auch PUR genannt, auch „Hockender Mann“, „Känguru-Stuhl“ oder „Z-Stuhl“ genannt. Obwohl das Modell in der DDR sehr beliebt war, handelt es sich nicht um ein Designwerk der DDR: Der Designer Erich Moeckl studierte an der Hochschule für Gestaltung in Ulm und arbeitete anschließend in der BRD.

Stuhl, Formgestalter Erich Moeckl (1931-2013)
Herkunft/Rechte: Museum Utopie und Alltag. Alltagskultur und Kunst aus der DDR / Armin Herrmann (CC BY-NC-SA)

Dieses Beispiel ist ein weißer Kragstuhl. Die Rückenlehne, der Sitz und die Beine werden in einer Form gegossen. Sie beschreiben eine organische, dynamisch ausdrucksstarke Form.

Kugelboxen LK 6 – Heliradio

Die 1976 erstmals auf den Markt gebrachten kugelförmigen Lautsprecher konnten auf einen Kunststoffring aufgesetzt und mit geeigneten Befestigungselementen auf der Rückseite auch an der Wand befestigt werden.

Deutsches Design

Lautsprecher ø 22 cm, Formgestalter Karl Clauss Dietel (1934-) und Lutz Rudolph (1936-2011)
Herkunft/Rechte: Museum Utopie und Alltag. Alltagskultur und Kunst aus der DDR / Armin Herrmann (CC BY-NC-SA)

Die Kugeln bestehen aus Pappmasse, die mit einem weißen Rauhputz überzogen wurde. Die als Paar verkauften Lautsprecher erzeugten einen ungewöhnlichen Effekt, indem sie ein Augenpaar nachahmen.

Senftenberger Sitzei

Deutsches Design
Herkunft/Rechte: Industriemuseum Chemnitz; Fotografin: Marion Kaiser (CC BY-NC-SA)

Ein futuristischer Sessel, der eher an eine Faltschachtel mit Gesichtspuder als an ein Ei erinnert. Der Designer Peter Ghyczy entwarf den klappbaren und wetterfesten Sessel 1968 als Gartenmöbel. Sein damaliger Arbeitgeber, die niedersächsische Firma Elastogran in Lemförde, suchte nach Anwendungsmöglichkeiten für den neuen Werkstoff Polyurethan.

Herkunft/Rechte: Industriemuseum Chemnitz; Fotografin: Marion Kaiser (CC BY-NC-SA)

Die ersten Prototypen wurden in der Bundesrepublik Deutschland gefertigt, die Serienproduktion fand dann in der DDR statt. Der Volkseigene Betrieb Synthesewerk Schwarzheide bei Senftenberg stellte in der ersten Hälfte der 1970er Jahre „Sitzeier“ her. Sie wurden sowohl im Osten als auch im Westen verkauft.

1973-1989

Krise, Protest, Suche nach Alternativen

Politischer Kontext
Die internationale Ölkrise von 1973 beeinflusste die Entwicklung des Konsumbewusstseins angesichts der Begrenztheit der natürlichen Ressourcen. Die gesellschaftlichen und politischen Debatten des vorangegangenen Jahrzehnts hatten in der BRD zur Parteigründung der „Grünen“ und in der DDR zu einer schwindenden Identifikation mit den Zielen des Staates geführt.

Im Design spiegelt sich dies in der Suche nach alternativen Strategien und einer nachhaltigeren Entwicklung wider. Es hat ein Wertewandel stattgefunden, und von Mode über Schmuck bis hin zu Möbeln sind Einzelstücke oder Kleinserien zu gewünschten Gegenständen geworden.

Vor allem in der DDR verlor die Industriegestaltung an Bedeutung. Die Designer begannen, eigene Werkstätten zu gründen, sich in Kollektiven zu organisieren und sogar das Land zu verlassen. In der Bundesrepublik Deutschland wiederum hat das Industriedesign seine Stellung nicht verloren, und die Designbüros begannen, neben dem Produktdesign auch strategische Beratung zu leisten.

Design im Porträt

„Consumer’s Rest“ Sessel, Stiletto Studios

Mitte der 80er Jahre sorgten Designer mit bizarren und manchmal auch kitschigen Möbeln und Designobjekten für Furore. Der „Consumer’s Rest“ Lounge Chair von 1983 ist Stilettos bekannteste Arbeit.

SailkoCC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Ein Alltagsgegenstand – ein Einkaufswagen – wurde in einen Stuhl verwandelt, der, wie der Name „Consumer’s Rest“ erklärt, den Verbraucher offensichtlich dazu einlädt, sich nach einem anstrengenden Einkauf zu entspannen. Das Design dieses Stuhls ist ein direkter Hinweis auf die ständig wachsende Zahl von Einkaufszentren und das damit verbundene Massenkonsumverhalten.

Politischer Kontext

Im Herbst 1989 führte die Gesellschaftskrise zu aktiven Veränderungen. Die Montagsdemonstrationen der DDR-Bevölkerung führten zu einer friedlichen Revolution, welche die Möglichkeit der deutschen Einheit eröffnete, da die Berliner Mauer am 9. November 1989 fiel.

Schon am 1. Juli 1990 wurde die gemeinsame Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion von BRD und DDR geschaffen. Drei Monate später, am 3. Oktober 1990 wurde die beiden Republiken angeschlossen und das politische System der BRD für das vereinigte Deutschland übernommen.

Auch 30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung sind die Unterschiede zwischen den Regionen unübersehbar, und in gewisser Weise gibt es ein Westdeutschland und ein Ostdeutschland, deren Grenzen sich mit denen der beiden ehemaligen Republiken decken.