Das architektonische Erbe der DDR im Chemnitzer Stadtzentrum

Die Stadt Chemnitz war Teil der DDR und trug von 1953 bis 1990 den Namen Karl-Marx-Stadt. Der Aufbau einer neuen Architektur auf dem Gelände des im Zweiten Weltkrieg zerbombten Zentrums erfolgte im Rahmen der sozialistischen Ideologie, die sich im Erscheinungsbild der Stadt niederschlug.

Breite Straßen, lange Häuser, ein dem normalen Menschen nicht ganz angemessener Maßstab – all das ist charakteristisch für die Stadt, in der „der neue Mensch“ im Sozialismus lebt.

Die Innenstadt im Jahr 1977

Die Luftaufnahme von Karl-Marx-Stadt: Breite Straßenalleen, Hochhausplattenbau, Möglichkeiten für Massenansammlungen von Menschen und deren Freizeitgestaltung. Dieses Foto aus den 1970er Jahren zeigt fast alle Gebäude im Chemnitzer Stadtzentrum, die in diesem Beitrag über das Erbe der DDR erwähnt werden.

Bundesarchiv, Bild 183-S0331-0020 / Thieme, Wolfgang / CC-BY-SA 3.0CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Einige städtische Objekte und Plastiken erscheinen ebenfalls in diesem Beitrag, da das Gesamtbild ohne sie unvollständig wäre.

Stadthalle/Hotel

Die typische Charakteristik des Architekturkomplexes Stadthalle/Hotel prägt seit den 1970er Jahren das Stadtbild. Der Komplex aus überwiegend niedrigen hexagonalen Baukörpern und dem himmelstürmenden Hotelgebäude stellt eine ausgewogene geometrische Komposition dar.

Stadthalle in Chemnitz

Aus der Vogelperspektive ist der Plan des Komplexes eine Reihe von Hexagonen, die aus der menschlichen Perspektive nicht so gut sichtbar sind. Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass das riesige Gebiet praktisch unzugänglich ist, so dass der Zugang zu benachbarten Straßen oder Gebäudeeingängen schwierig gestaltet ist. Meiner Meinung nach wurde die Benutzerfreundlichkeit zugunsten des Erscheinungsbildes geopfert. Dennoch ist die Farbpalette und das Verhältnis von Volumen und Farben zueinander beeindruckend.

Die zahlreichen architektonischen Details, sowohl an den Fassaden als auch auf dem Gelände des Komplexes, die Plastiken und Wasserspiele verdienen besondere Aufmerksamkeit.

Stadthalle und Hotel im Jahr 1977

Die Stadthalle Chemnitz wurde zwischen 1969 und 1974 als Mehrzweckhalle im Zentrum von Karl-Marx-Stadt gebaut und am 4. Oktober 1974 eröffnet.

Bundesarchiv, Bild 183-N0929-0005 / CC-BY-SA 3.0CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Das Hotelgebäude ist das dominierende Element des Ensembles und ist mit einer Höhe von 97 Metern und 29 Obergeschossen das höchste Gebäude der Stadt.

Hotel in Chemnitz

Interhotel im Jahr 1974

Das Interhotel der DDR beherbergte 760 Gäste in 380 komfortabel eingerichteten Zimmern und Appartements. Mehrere Restaurants und Salons, eine Speisen- und Hallenbar sowie eine Nachtbar im 26. Stock, die tagsüber als Café genutzt wurde, gehörten zu den gastronomischen Einrichtungen, die rund 1.000 Personen Platz boten.

Bundesarchiv, Bild 183-N0210-0015 / CC-BY-SA 3.0CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Karl-Marx-Monument

Das Karl-Marx-Monument ist eine 7,1 m (mit Sockel über 13 m) hohe und ca. vierzig Tonnen schwere Plastik, die den Kopf von Karl Karl Marx, dem Begründer der wissenschaftlichen Weltanschauung des Kommunismus, stilisiert darstellt. Sie wurde nach einem Entwurf des sowjetischen Künstlers Lew Kerbel (1917–2003) realisiert und 1971 eingeweiht.

Das Denkmal beeindruckt durch seine künstlerische Sprache und seine enorme Größe. Der Kopf von Karl Marx ist vereinfacht dargestellt, das Gesicht des Denkers ist in Facetten unterteilt, die sich besonders im Haar und im Bart zeigen.

Karl-Marx-Monument im Jahr 1971

Die 15.000 Mitglieder der Pionierorganisation und FDJ des sächsischen Industriegebiets am Tag der Enthüllung des Monuments ‒ am 9. Oktober 1971.

Bundesarchiv, Bild 183-K1010-007 / Wolfgang Thieme / CC-BY-SA 3.0CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Rat des Bezirkes

Das Verwaltungsgebäude, von dem aus der Bezirk verwaltet wurde, der sogenannte Rat des Bezirks, befindet sich gegenüber dem Hotelkomplex. Dieses Gebäude wiederum bildet die Kulisse für das berühmte Karl-Marx-Monument und enthält an seiner Fassade ein Relief, das das Zitat des Denkers in mehreren Sprachen enthält.

Architektonisch drückt sich das Bezirksgebäude durch seine durchgehende horizontale Verglasung, die einfachen geometrischen Fassadenpaneele und die Säulen, die die Durchgänge entlang des Gebäudes bilden, anschaulich aus.

Rat des Bezirkes im Jahr 1983

Das Zentrum einer sozialistischen Stadt: Der Rat des Bezirkes befindet sich hinter dem Karl-Marx-Monument.

Bundesarchiv, Bild 183-1983-0503-030 / CC-BY-SA 3.0CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Omnibusbahnhof

Der Omnibusbahnhof wurde als Experimentalbau der Deutschen Bauakademie errichtet. Das Dach wird von acht Seilen getragen, die sich in jeweils drei weitere Seile verzweigen.

Die etwa 1200 Quadratmeter große Dachkonstruktion steht heute unter Denkmalschutz und sieht noch eindrucksvoll aus.

Omnibusbahnhof im Jahr 1968

Der damals modernste Omnibusbahnhof der DDR wurde am 7. Januar 1968 nach zweijähriger Bauzeit eröffnet. Der Bahnhof verfügte über zwölf Abfahrtsbahnsteige, einen sechzig Meter langen Ankunftsbahnsteig sowie eine freitragende Wartehalle, in der Kassenschalter, Telefonzellen, Gepäckautomaten und Verkaufsstände untergebracht waren. Täglich passierten 30.000 Fahrgäste den Omnibus-Bahnhof.

Bundesarchiv, Bild 183-G0108-0203-001 / CC-BY-SA 3.0CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Rosenhof

Der Rosenhof verdankt seinen Namen den rund 5.000 Rosen, die hier 1965 gepflanzt wurden. Die Rosen stammten insbesondere aus Orten des Vernichtungskrieges auf dem Gebiet der damaligen UdSSR und aus ehemaligen Konzentrationslagern und sollten an das Leid und die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnern. Das ehemalige innerstädtische Wohngebiet mit den Straßen Holzmarkt und Roßmarkt wurde 1945 völlig zerstört. Im 18. Jahrhundert war es eine der reichsten Wohngegenden von Chemnitz. Prächtige Gebäude bedeutender Kaufleute sowie das Hotel de Saxe prägten das Bild des Roßmarktes.

Rosenhof im Jahr 1968

Mit seinen Wasserspielen und prächtigen Grünanlagen war er ein Musterbeispiel für die sozialistische Stadtplanung seiner Zeit. Nichts erinnerte mehr an das alte „Rußchemnitz“ der Vorkriegsjahre. Helle, moderne Wohnhochhäuser und Läden entstanden hier in den 1960er Jahren.

Bundesarchiv, Bild 183-G0717-0012-001 / CC-BY-SA 3.0CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Kunst im öffentlichen Raum

Terrazzo-Mosaik von Gerhard Klampäckel

Das 1965 fertiggestellte Terrazzo-Mosaik von Gerhard Klampäckel entstand im Zusammenhang mit der Entstehung des gesamten Rosenhof-Areals und war zunächst in deren Mitte platziert. Sie wurde 1986 restauriert und seit 2002 präsentiert sich die „Windrose“ an ihrem heutigen Platz ‒ zwischen Rosenhof und Zugang zum Markt.

Neben der Windrose selbst finden sich auch Darstellungen der Tierkreiszeichen, Hinweise auf städtische Objekte wie das Standesamt sowie Namen von Städten wie Moskau und sogar von damals für DDR-Bürger:innen unzugänglichen Städten wie Paris und Köln.

Plastik von Gerd Jaeger „Würde, Schönheit und Stolz des Menschen im Sozialismus“

Vor der Stadthalle steht eine Plastik aus drei Figuren von Gerd Jaeger, die 1974 aufgestellt wurde. Die aus Beton gefertigte Plastik stellt die Würde, die Schönheit und den Stolz des Menschen im Sozialismus dar. Zwei weibliche Figuren symbolisieren Würde und Schönheit und eine männliche Figur verkörpert Stolz.

Chemnitz

Stadtmöbel

Der Teil der städtischen Umgebung, mit dem die Stadtbewohner unmittelbar interagieren, ist das Stadtmöbel, darunter auch Abfallbehälter. Neben dem Rat des Bezirkes befinden sich ein paar Gruppen von Stadtmöbeln, die aus Bänken und Mülleimern bestehen. Der Mülleimer aus Beton mit Steinelementen fügen sich perfekt in die Gesamtgestaltung des Stadtzentrums ein. In diesem Fall sind die Mülleimer, denen normalerweise niemand Beachtung schenkt, jedoch Teil des Ensembles.