Slash-Karriere

Vor kurzem entdeckte ich den Begriff „Slash-Karriere“ und fand ihn sehr interessant. Die Kombination mehrerer Berufe, eine Art „Eier in verschiedene Körbe legen“, klingt vielversprechend und krisenfest. Das Phänomen selbst ist nicht neu, und in der Psychologie gibt es sogar seit mindestens 50 Jahren ein Konzept, das als „Multipotential“ bezeichnet wird. Der Begriff wurde von Ronald Fredrickson und John Rothney in ihrem Buch* definiert: Multipotential ist eine Person, die unter positiven Bedingungen so viele Kompetenzen wie gewünscht auf hohem Niveau entwickeln kann. Im Großen und Ganzen ist Multipotential eine Weiterentwicklung des allgemeineren Begriffs des Polymaths, der seit der Renaissance verwendet wird, um eine Person mit einem breiten Wissensspektrum zu bezeichnen, die einen bedeutenden Beitrag in ihrem Interessengebiet leistet.

Heutzutage gibt es bei den 20- und 30-Jährigen immer weniger einen Kult um einen Beruf fürs Leben. Wir wollen nicht 40 Jahre lang für den Chef arbeiten und vor der Rente eine Armbanduhr für lange Dienstzeiten bekommen. Wir wollen Flexibilität und die Gelegenheit, so viele unserer Ideen wie möglich zu verwirklichen. Vielen Menschen fällt es immer noch schwer, solche Persönlichkeiten zu akzeptieren, weil das Vorurteil besteht, dass man sich durch die Ausübung mehrerer Tätigkeiten verzettelt und am Ende alle Aufgaben nur noch mittelmäßig erfüllt. Gleichzeitig vergessen die Kritiker von Slash-Karrieren völlig, dass Menschen, die sich glücklich fühlen, sehr viel effektiver sein können. Schließlich wissen sie, wie sie ihr Wissen zu Geld umwandeln und aus ihrem Hobby einen weiteren Beruf machen können.

Viele Berufe erfordern eine fundamentale Hochschulausbildung, die viel Zeit, Mühe und in manchen Fällen auch Geld kostet. Die realistischsten Zweit- und Drittberufe sehe ich daher in den Berufen, für die das Absolvieren von Kursen ausreichend ist. Vielleicht wird es bald mehr Anwälte/Webdesigner, Ingenieure/Journalisten, Ärzte/DJs unter uns geben.

Dieser Umgang mit der beruflichen Laufbahn kann einem Burnout in der Kerntätigkeit vorbeugen und schützt auch vor Turbulenzen auf dem Arbeitsmarkt. Wenn wir uns von dem Kult der geraden Laufbahn verabschieden, erlauben wir unserem Berufsleben, sich zu verzweigen. Vielfältige Hobbys bereichern unseren Lebensweg, und Arbeitgeber, die ein wenig über den Tellerrand hinausschauen, werden die Kompetenzen unkonventioneller Arbeitssuchender bald zu schätzen wissen.


Interessante Literatur zu diesem Thema:

  • Marci Alboher „One Person, Multiple Careers: A New Model for Work/Life Success“
  • Emilie Wapnick „How to Be Everything: A Guide for Those Who (Still) Don’t Know What They Want to Be When They Grow Up“
  • *Ronald H. Fredrickson, John Watson Murray Rothney „Recognizing and assisting multipotential youth“